Kleiner Zollstock - große Aufregung
Liebe Freund*innen,
man kann mit einem kleinen Zollstock große Aufregung verursachen. Ich habe für die GRÜNEN im Römer ein Reel gedreht (das ist ein Video auf Instagram), wo ich mittels eines Zollstocks deutlich gemacht habe, was es für Konsequenzen hat, dass die Autos seit 1980 um 22cm breiter geworden sind. Nämlich, dass der Platz auf den Gehwegen enger geworden ist, da, wo die Autos teilweise auf dem Gehweg parken. Dieses kleine Reel von 48 Sekunden Dauer hat enorme Wellen geschlagen. Es wurde inzwischen 1,4 Millionen mal gesehen, beim Stand von 1,3 Millionen hat sogar die FAZ darüber berichtet. Es gab zuerst sehr viele negative Kommentare, häufig persönliche Beleidigungen, inzwischen aber über 23.000 likes und die positiven Kommentare überwiegen inzwischen bei weitem.
Ich hätte diese heftigen Reaktionen nie erwartet und habe mir natürlich Gedanken darüber gemacht, was ich da ausgelöst habe. Das Reel ist sehr sachlich gehalten, ich stelle einfach nur das Problem dar und sage vage, dass es einer anderen Verkehrspolitik bedarf.
Ich glaube, es liegt daran, dass manche Tatsachen einfach negiert werden müssen, weil sonst klar wäre, dass nicht alles so weiter gehen kann, wie es gerade läuft. Die Autos können nicht immer breiter werden und es kann auf dem begrenzten Raum einer Großstadt auch nicht immer mehr Autos geben. Wir können nicht einfach die Häuser auseinander schieben und wir können auch nicht beliebig mehr Autos auf den Straßen unterbringen. Diese einfache Erkenntnis habe ich mit dem Zollstock so plastisch dargestellt, dass sie bei den Menschen ankam. Bei denen, die sofort sich und ihr Auto infrage gestellt sahen, wie auch bei denen, denen es sofort einleuchtete, dass es auf Dauer nicht in Ordnung ist, wenn der Platz für Menschen, die zu Fuß auf dem Gehweg gehen wollen, immer kleiner wird. So wurde dieses Reel massenweise geteilt und verbreitet, wie sonst selten.
Ich sehe eine Parallele im Umgang mit dem Klimawandel. Für viele ist völlig klar, dass der Klimawandel ein menschengemachtes Problem ist, das uns alle betrifft, und dass es massiver Änderungen in vielen Bereichen bedarf, um ihn zumindest abzumildern. Es gibt aber auch die, die sich den Tatsachen komplett verschließen. Für die darf es einfach nicht sein, dass der von ihnen als „linksrotgrün versifft“ gebrandmarkte Teil der Gesellschaft einfach recht hat und sie unrecht, es darf nicht sein, dass man Veränderungen herbei führen muss, nicht einfach im gewohnten Trott weiter machen kann. Nur so kann ich es mir erklären, dass die größten Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel ausgelöst werden, von einem Teil der Menschen inzwischen ignoriert werden. Als ein Beispiel für die vielen Katastrophen in 2024 nenne ich nur die Überschwemmungen in der Region um die spanische Stadt Valencia.
Es ist nicht mehr rational zu erklären, wenn solche Katastrophen als normal und unwichtig dargestellt werden, es ist nicht mehr rational zu erklären, dass ein kleiner Hinweis auf die Breite von Autos und die Beengtheit der Gehwege bei einigen geradezu hysterische Reaktionen auslöst, und es ist auch nicht rational zu erklären, dass Migration als „Mutter aller Probleme“ in Talkshows hoch und runter diskutiert wird, während die Morde, die Rechtsradikale überall verüben, totgeschwiegen werden. Ganz offensichtlich sind viele Menschen für rationale Argumente gerade nicht zugänglich.
Ich möchte trotzdem bei unseren rationalen Argumenten bleiben und mich nicht auf dumpfe, emotionale Ebenen begeben. Die große Unterstützung, die ich für das Reel bekommen habe, ermutigt mich und ich möchte mich für diese Unterstützung bedanken. Der größere Teil der Gesellschaft ist nach wie vor vernünftig, und wir sollten uns an diesen Menschen orientieren.
Euer Thomas Schlimme
Beisitzer im Kreisvorstand