Ein Tag des Sichtbarmachens von Ungerechtigkeiten und der Solidarität
Liebe Freund*innen,
der 1. Mai liegt hinter uns – und mit ihm ein Tag, der uns alle daran erinnert, dass faire Arbeit, soziale Sicherheit und echte Zukunftsinvestitionen nicht vom Himmel fallen. Unter dem Motto „Mach dich stark mit uns!“ haben Gewerkschaften und viele Engagierte bundesweit ihre Stimme erhoben: für Investitionen in Bildung, Schiene, Gesundheit und Klimaschutz, für Tarifbindung, für faire Löhne – und für ein gerechtes Steuersystem.
Diese Forderungen sind mehr als aktuell. Denn nach wie vor tragen vor allem Frauen die Hauptlast unbezahlter Sorgearbeit, arbeiten unter prekären Bedingungen und in Berufen, die gesellschaftlich unverzichtbar, aber chronisch unterbewertet sind – ob in der Pflege, im Einzelhandel oder der Bildung. Viele Menschen, die mit drei Jobs, Unterbezahlung oder ungerechten Arbeitsbedingungen zu kämpfen haben – und oft auch am Ende ihres Arbeitslebens mit Altersarmut konfrontiert sind – führen gleichzeitig noch den Kampf als migrantische, behinderte oder alleinerziehende Personen in der immer weiter nach rechts rückenden Gesellschaft. Die Lebensrealität vieler Menschen in Deutschland zeigt, dass Diskriminierung und Ungerechtigkeit sich nicht isoliert voneinander betrachten lassen. Deshalb muss die Politik auf diese vielschichtigen Herausforderungen Antworten finden, die die Vielfalt und Komplexität des Alltags anerkennen und berücksichtigen: Wer über Arbeitsgerechtigkeit spricht, muss feministisch und antirassistisch denken. Arbeitskämpfe sind immer auch Kämpfe um Sichtbarkeit, Anerkennung und gleiche Rechte – und damit zutiefst demokratisch. Gute Arbeit heißt: faire Löhne, soziale Sicherheit, Vereinbarkeit von Leben und Beruf – und eine Gesellschaft, in der niemand zurückgelassen wird.
Umso kritischer sehe ich persönlich die politische Entwicklung in dieser Woche: Zwei der neu vorgestellten Ministerposten wurden mit Personen besetzt, die direkt aus der Wirtschaft kommen. Katherina Reiche (CDU), vormals Vorstandsvorsitzende eines Energiedienstleisters, übernimmt das Amt der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie. Karsten Wildberger, bisher CEO von Media Markt / Saturn und vorher Berater im Bereich Digitalisierung, wird Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Beide bringen sicher fachliche Erfahrung mit. Wenn allerdings Minister*innenämter mit Menschen besetzt werden, deren Karriereweg eng mit Konzerninteressen verknüpft ist, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Unabhängigkeit. Auch LobbyControl hat diese Postenbesetzungen scharf kritisiert und auf mögliche Interessenkonflikte hingewiesen. Die beiden Minister*innen werden sich nun daran messen lassen müssen, ob sie ihre neue Rolle wirklich im Sinne des Gemeinwohls verstehen – oder ob wirtschaftliche Einzelinteressen weiter Vorrang haben.
Der 1. Mai ist für mich ein wichtiger Tag des Sichtbarmachens von Ungerechtigkeiten und der Solidarität. An allen anderen Tagen müssen wir die Forderungen, die an diesem Tag auf die Straße gebracht werden, in die politische Arbeit umsetzen – am Küchentisch, im Betrieb, in den Parlamenten. Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machen uns weiterhin stark für eine feministische, soziale und ökologische Arbeitswelt – in Frankfurt, in Hessen und bundesweit. Denn gute Arbeit ist mehr als Einkommen – sie ist der Schlüssel zu Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und echter Teilhabe in unserer Gesellschaft.
Solidarische Grüße,
Kathi
Katharina Meixner, Beisitzerin im Kreisvorstand